Wintergäste

Für manche ist unser Norden der Süden...

Aufmerksame Beobachter werden sie im Garten oder auf weiter Flur schon entdeckt haben, winterliche Gastvögel, die in unserer Region für eine zeitlang ihr Quartier aufschlagen. Mancher wird sich wundern, was für seltsame Vögel sich in seinem Garten aufhalten. Doch woher kommen Wacholderdrossel, Bergfink, Nonnengans & Co eigentlich? Und wo wollen sie hin?

Der Vogelzug

Auffliegende Wildgänse im ostfriesischen Rheiderland
Auffliegende Wildgänse im ostfriesischen Rheiderland

Brut- und Überwinterungsgebiete vieler Vogelarten liegen nicht immer am selben Ort. Bieten sibirische Brutreviere beispielsweise für wenige Monate ungestörte weite Areale mit reichem Nahrungsangebot, so stellen sie im größten Teil des Jahres eine karge, lebensfeindliche Welt dar. Zugvögel nutzen die Vorteile unterschiedlicher Regionen und können so Gebiete als Lebensraum nutzen, in denen sie als Standvogel, der immer an einem Ort bleibt, keine Überlebenschancen hätten.

 

Dabei legen manche Arten Strecken von weit über 10.000 km zurück - zweimal im Jahr! Zugvögel auf der Nordhalbkugel nutzen meist nördliche Regionen zur Brut und ziehen in den Wintermonaten südwärts in wärmere Gebiete. So sind fast alle Vogelarten der arktischen Gegenden Zugvögel.

Der Ostatlantische Zugweg Pfuhlschnepfe, Kiebitzregenpfeifer, Knutt, Sanderling und Alpenstrandläufer ziehen bis Afrika Nonnengans und Ringelgans ziehen von Sibirien ins Wattenmeer der Nordsee
Der Ostatlantische Zugweg Pfuhlschnepfe, Kiebitzregenpfeifer, Knutt, Sanderling und Alpenstrandläufer ziehen bis Afrika Nonnengans und Ringelgans ziehen von Sibirien ins Wattenmeer der Nordsee

Die Bewegungen des Vogelzuges finden im Grunde weltweit statt. Unsere eigene Region spielt hierbei unterschiedliche Rollen: Vielen Singvögeln etwa dient sie als ganzjähriger Lebensort (Amseln, Meisen, Sperlinge u.a.), manche unserer Brutvögel ziehen im Winter südwärts (Trauerschnäpper, Storch, Mauersegler, Schwalben u.a.). Andere Arten kommen aus kälteren Regionen zu uns, um in den Küstengebieten des Wattenmeeres aber auch in Siedlungsräumen und Feldflur zu überwintern oder sich kurzzeitig auf dem Zug zu stärken (etliche Gänse- und Entenarten, Kraniche u.a.).

 

Wenn in Übergangszonen wie bei uns etliche Vogelarten auch im Winter vor Ort bleiben, während andere abziehen, sind das unterschiedliche Strategien, um mit dem Winter umzugehen und beide Strategien haben ihre Vorteile. Denn sowohl der kalte Winter als auch der kräftezehrende Zug in den Süden bergen jeweils eigene Gefahren für die Tiere.

 

Manche Arten zählen zu den Teilziehern. Hier bleibt ein Teil der Population im Brutrevier, ein anderer zieht in den Süden - das mag schon manchem bei den Staren aufgefallen sein; man könnte sagen, sie teilen die winterlichen Risiken für die eigene Art auf. Einige Arten sehen wir bei uns nur in manchen Jahren als Wintergast; sie reagieren nur mit Wegzug, wenn in ihren Heimatregionen besonders harte Bedingungen herrschen - dann können sie aber durchaus in Massen bei uns einfallen.

 

Die Vögel haben also im Laufe der Zeit unterschiedlichste Ansätze entwickelt, schwere Zeiten zu überstehen. Vögel, die unsere Region als Überwinterungsquartier oder auch als kurzzeitigen Zwischenhalt auf ihrem Zug in den Süden und zurück in den Norden nutzen, sind unter anderem die Wacholderdrossel, die Rotdrossel, der Seidenschwanz, der Bergfink und die Nonnengans. Es gibt natürlich noch viele andere interessante Arten, die bei uns in den Wintermonaten zu sichten sind - aber diese Vögel sollen hier beispielhaft in ihrer Lebensweise kurz vorgestellt werden, da sie in Siedlungsräumen oder bei Fahrten an die nähere Küste immer wieder auffallen. Und mancher wird ratlos in seinem Bestimmungsbuch herumblättern, wenn er diesen 'seltsamen Vogel' in seinem Bestimmungsbuch nicht ausfindig machen kann...

Wacholderdrossel (Turdus pilaris)

Wacholderdrosseln lieben geradezu unsere Beerensträucher (Foto: Volker Moritz)
Wacholderdrosseln lieben geradezu unsere Beerensträucher (Foto: Volker Moritz)

Die Wacholderdrossel ist ein Zugvogel und von Oktober bis März ein häufiger Wintergast in West- und Südeuropa. Man findet die Vögel bei uns im offenen Gelände und zur Futtersuche auf Feldern und in Hecken.

 

Die Brutgebiete der Wacholderdrossel liegen in Skandinavien und Nordosteuropa an Waldrändern und in Gehölzen, neuerdings aber auch in Gärten und Parklandschaften, wo sie besonders auf licht belaubten Bäumen in Kolonien nistet.

 

 

Wacholderdrosseln zeigen sich je nach Witterung bei uns nur vereinzelt oder aber in großer Zahl – teilweise können die Tiere geradezu massenhaft und hungrig über die letzten Beeren an Wildsträuchern in unseren Gärten herfallen; wenn die Witterung einen Weiterzug erschwert, bleiben uns die auffälligen Tiere manchmal wochenlang erhalten.

 

 

Die Nahrung der Wacholderdrosseln besteht vor allem aus Beeren und Früchten, sie nehmen aber auch gern Fallobst an - wer also reichlich beerentragende Wildsträucher im Garten hält, hilft nicht nur unseren heimischen Arten, sondern auch den Wacholderdrosseln auf ihren anstrengenden und gefahrvollen Reisen.

 

Rotdrossel (Turdus iliacus)

Rotdrosseln erkennt nicht jeder als Wintergast (Foto: Tom Dove)
Rotdrosseln erkennt nicht jeder als Wintergast (Foto: Tom Dove)

Rotdrosseln nisten in ihrer Brutregion auf Baumstümpfen, Bäumen und Büschen, auf dem Boden, in offenen Wäldern und in sumpfigem Gelände; ihre Heimatreviere sind nördlich von uns, beispielsweise in Island, Skandinavien und Sibirien zu finden.

 

Die Rotdrossel ist bei uns ein eher seltener Wintergast von Oktober bis April, wobei sie meistens nicht als dauerhafter Wintergast, sondern eher als Durchzügler zu beobachten ist. Im Winter treffen wir sie bei uns im offenen Gelände, auf Wiesen und in lichten Wäldern an.

 

 

Die Nahrung der Rotdrossel besteht vor allem aus Beeren und Kleintieren, die sie durchaus auch mal in Siedlungsräumen suchen kann.

 

Seidenschwanz (Bombycilla garrulus)

Seidenschwanz - ein wirklich auffälliger Gast, vor allem wenn es zum Masseneinflug kommt (Foto: Andreas Schulz-Benick)
Seidenschwanz - ein wirklich auffälliger Gast, vor allem wenn es zum Masseneinflug kommt (Foto: Andreas Schulz-Benick)

Der Seidenschwanz lebt eigentlich in der Taiga Nordosteuropas bzw. Eurasiens und ist bei uns in sehr unterschiedlicher Regelmäßigkeit und Häufigkeit als Wintergast anzutreffen. Durch die Witterung am Heimatstandort bedingt kann es dabei zu massenhaften Einflügen kommen. In Norddeutschland findet man ihn fast jährlich, in Süddeutschland fehlt er hingegen oft jahrelang.

 

Bei Vorkommen im Winter findet man den Seidenschwanz vor allem in Wäldern, Gärten und Parks. Beeren- und früchtetragende Sträucher und Bäume können von den auffälligen Vögeln geradezu 'abgeerntet' werden. Seidenschwänze bevorzugen dabei die Früchte der Eberesche und der Misteln aber auch Fallobst wird gern als Nahrung angenommen.

 

Bergfink (Fringilla montifringilla)

Dick aufgeplustert trotzt dieser Bergfink der Kälte (Foto: R. Jürgens)
Dick aufgeplustert trotzt dieser Bergfink der Kälte (Foto: R. Jürgens)

Bergfinken gelten als echte Zugvögel und sind bei uns von Oktober bis April in den verschiedensten Lebensräumen wie in Buchenwäldern, Parks und Gärten sowie auch in der freien Feldlandschaft zu beobachten, wo sie ausnahmsweise sogar brüten. Denn gelegentlich bleiben die Tiere im Sommer in unserer Region.

 

Ursprünglich leben sie allerdings in skandinavischen Wäldern, wo sie vor allem auf Birken und in Nadelwäldern nisten.

 

 

Für jeden Freund der Bergfinken ist es interessant zu wissen, dass sie im Winter auch gern unsere Futterhäuser besuchen und sich dort an verschiedenen Sämereien stärken. In der freien Natur stellen vor allem Bucheckern und Knospen, die sich schon im zeitigen Frühjahr entwickeln, die Basis ihrer Nahrungsgrundlage dar.

 

Nonnengans oder auch Weißwangengans (Branta leucopsis)

Nonnengänse finden sich küstennah oft auf Wiesen (Foto: Klose)
Nonnengänse finden sich küstennah oft auf Wiesen (Foto: Klose)

Die Nonnengänse, an deutschen Küsten häufige und auffallende Durchzieher oder Wintergäste, seien hier beispielhaft für verschiedene ziehende Gänsearten erwähnt. Jeder wird die V-förmigen Zugformationen und das typische Schreien der Gänse während ihrer Herbst- und Frühjahrszüge über unseren Städten und Landschaften kennen - geradezu symbolhaft für das gesamte Vogelzuggeschehen und den Wechsel der Jahreszeiten.

 

Nonnengänse brüten meist in skandinavischen Regionen und entlang der russischen Nordküste bis nach Sibirien hinein. Sie nutzen dabei die weiten Flächen der Tundra aber auch steinige Simse der Küstenfelsen Skandinaviens.

 

Hier bei uns stellen sie sowohl dauerhafte Wintergäste als auch durchziehende und beispielsweise im Watenmeer rastende Populationen. Sie nutzen dabei nicht nur die Watten, sondern auch Wiesen, Weiden und sogar Äcker und können im gesamten Küstengebiet der Nordsee sowie entlang der großen Flüsse weiter im Binnenland angetroffen werden. Hier finden sie während ihrer langen Reisen von Grönland oder Spitzbergen Ruheplätze. Ihre Nahrung besteht meist aus Gräsern, Kräutern, Klee und Wintersaat - im Watt aus Algen und Queller.